[img='http://www.rocknord.net/forum/upload/avatars/utool_f_1278277053_2.jpg','left'] Ausnahmsweise soll es mal nicht nur billig sein. Seit kurzem hält Verona Pooth (ehemals Feldbusch) ihr hübsches Gesicht für den „Textildiscounter“ KiK in die Kamera und soll ihre Sympathiewerte möglichst nahtlos auf den Bekleidungs-Billigheimer übertragen. Für zwei Jahre hat das Unternehmen die Fernseh- und Werbe-Ikone verpflichtet. Wie einträglich das für die Ex-Frau von Dieter Bohlen ist, wird nicht verraten. Schätzungen gehen von einem Millionenbetrag aus. Doch nicht nur mit dem Glamour-Faktor versucht die zum Tengelmann-Konzern gehörende Firma, ihr lädiertes Ansehen aufzupolieren, auch in der Pose edelmütigen Multikulti-Gutmenschentums hofft man auf steigende Kundenbeliebtheit.
Auf der Rückseite eines Werbeprospektes klingt das unter der Überschrift „Wir übernehmen Verantwortung“ so: „Wir beschäftigen Mitarbeiter aus 74 verschiedenen Nationen in sechs Ländern und sind stolz auf diese kulturelle Vielfalt in den eigenen Reihen. Daher unterstützen wir seit Jahren den Verein ,Gesicht zeigen!‘, der sich gegen Rechtsextremismus und für ein weltoffenes Deutschland einsetzt.“ Auf der Vorderseite präsentiert sich Verona Pooth in einem Kleid für 6,99 Euro.
Solche Kampfpreise sind natürlich nur möglich, wenn man die Kosten niedrig hält. Für die Art, wie KiK das tut, hat die Firma in den letzten Wochen mehr mediale Aufmerksamkeit bekommen, als ihr lieb war. Es beginnt beim Einkauf der Ware. Produziert wird zum Beispiel in Bangladesch: von Näherinnen, die nach Arbeitstagen von bis zu 16 Stunden einen Monatslohn von 20 bis 35 Euro nach Hause tragen und gern auch mal vom Vorarbeiter Prügel beziehen, wenn es ihm nicht schnell genug geht. „Schlimmer als im Gefängnis“, urteilt eine Arbeiterin gegenüber dem Fernseh-Magazin Panorama über die Fabrik, in der sie beschäftigt ist.
Und es geht weiter an den Verkaufsstellen in Deutschland, in denen meist Frauen zu Niedrigstlöhnen arbeiten und in denen – um Kosten zu sparen – besonders viele Lehrlinge und Aushilfen beschäftigt sind. Und eben auch Verkäufer(innen) mit eher dürftigen Deutschkenntnissen, die in der Regel geringere Ansprüche an Lohnhöhe und Arbeitsplatzqualität stellen als einheimische Arbeitskräfte. „Kulturelle Vielfalt“ heißt so etwas in der KiK-Diktion.
Weniger Gelegenheit für eitles Selbstlob bietet der Blick auf die Arbeitsbedingungen in den tristen Läden der Kette. Klimaanlagen gibt es nicht – zu teuer. Auf Mülleimer wird auch verzichtet. Wer in den Pausen schon unbedingt etwas essen muß, kann seinen Verpackungsmüll auch wieder mit nach Hause nehmen. Die Fenster sind oft vergittert oder lassen sich nur einen Spalt breit öffnen – man möchte die Mitarbeiter ja nicht dazu verleiten, die wertvollen Waren zu entwenden. Und da bei der fürstlichen Entlohnung das Mißtrauen der Firmenleitung gegenüber den Angestellten entsprechend groß ist, wird gern und häufig kontrolliert: Taschen, der Kofferraum des Autos, was auch immer. 49.000 Bonitatsauskunfte hat sich KiK über Mitarbeiter erteilen lassen – man muß schließlich wissen, wer ein mögliches Risiko darstellt. Und Auszubildende lernen bei ihrem verantwortungsvollen Arbeitgeber unter anderem, wie man die Toiletten putzt.
Vor einem guten Jahr erstritten sich zwei KiK-Mitarbeiterinnen vor Gericht eine bessere Entlohnung. 5,20 Euro hielt das Landesarbeitsgericht in Hamm für „sittenwidrig“, setzte den Stundenlohn bei 8,21 Euro an und verurteilte den Textil-Discounter zu saftigen Nachzahlungen. Firmenchef Stefan Heinig „erklärte“ daraufhin einem offenbar etwas unbedarften Welt-Journalisten, daß die betroffenen Mitarbeiterinnen infolge des Urteils am Ende weniger herausbekämen als vorher, da sie deutlich mehr Steuern zahlen mußten. Daß das nicht stimmt, kann man mit jedem durchschnittlichen Online-Gehaltsrechner nachprüfen.
„Frech kommt weiter“, scheint die Losung des 47-jährigen Heinig zu sein. Wer keine Skrupel hat, systematische Lohndrückerei als Engagement für „ein weltoffenes Deutschland“ zu verkaufen, für den ist es natürlich auch eine leichte Übung, Reportern Geschichten vom Pferd zu erzählen. Skrupel plagen den Chef des Milliarden-Unternehmens nicht. In einem früheren Interview mit dem Vorwurf konfrontiert, er sei der „Totengräber des mittelständischen Textilhandels in Deutschland“, antwortete er frohgemut: „Damit habe ich überhaupt keine Probleme.“
Offensichtlich ist trotz prallem Selbstbewußtsein angesichts stetig wachsender Umsätze und Marktanteile sowie der Expansion ins Ausland die Überzeugung gereift, daß etwas Eigen-PR neben der direkten Verkaufsforderung nicht schaden kann. Also springt auch KiK auf den allgegenwärtigen Zug des „Kampfes gegen rechts“ auf und fördert den vor zehn Jahren gegründeten Verein „Gesicht zeigen!“
[imgr]http://www.rocknord.net/forum/…/utool_f_1278277109_2.jpg[/imgr] Was ist das für ein Club? Ins Leben riefen den Verein der Sprecher des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, Uwe-Karsten Heye, der Fernseh-Moderator mit Hang zur Halbwelt, Michel Friedman, und der damalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel. Ein Sprengstoff-Anschlag auf überwiegend jüdische Emigranten aus Rußland und der Ukraine an einer Düsseldorfer S-Bahn-Station Ende Juli 2000 bildete den direkten Auslöser für die Gründung. Das Attentat ist zwar bis heute nicht aufgeklärt, trug seinerzeit aber zu dem von Schröder losgetretenen „Aufstand der Anständigen“ bei und startete die Dauerkampagne „gegen rechts“.
Kurz vor der Fußballweltmeisterschaft 2006 verlautbarte der oberste Gesicht-Zeiger Heye dann: „Es gibt kleine und mittlere Städte in Brandenburg und anderswo, wo ich keinem, der eine andere Hautfarbe hat, raten würde hinzugehen. Er würde sie möglicherweise lebend nicht mehr verlassen.“ „No-go-areas“ für Fremde seien angeblich schon finstere Realität in Teilen Deutschlands, besonders natürlich in den fünf neuen Bundesländern. Kurz vorher war ein eingebürgerter Äthiopier an einer Bushaltestelle in Potsdam niedergeschlagen worden. Wochenlang beschäftigte der angeblich „rassistische“ Vorfall die Medien, übrig blieb von der ganzen Sache letztlich nur heiße Luft. Selbstdarsteller Heye ließ sich die Gelegenheit aber nicht entgehen, Deutsche pauschal als verkappte Totschläger und potentiellen Lynchmob anzuprangern.
Jüngst forderte Heye, der nebenbei noch Chefredakteur der SPD-Parteizeitung Vorwärts ist, die Abhaltung eines „Krisengipfels“. „Wir brauchen“, meint der Genosse, „eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, die über bloße Betroffenheitskundgebungen bei erneuten rechtsextrem motivierten Gewaltexzessen hinausgeht“. Was war passiert? 2001 waren im Bereich der „politisch motivierten Kriminalität“ rund 10.000 „rechte“ Delikte gezahlt worden. Und 2008 mehr als doppelt so viele. Alarm!
Was sich hinter den Zahlen tatsächlich verbirgt, verrät der Verfassungsschutzbericht des betreffenden Jahres: „Bei 82,6 Prozent (2007: 83,9 Prozent) aller politisch rechts motivierten Straftaten mit extremistischem Hintergrund handelte es sich entweder um Propagandadelikte (14.262 Taten, 2007: 11.935) oder um Fälle von Volksverhetzung (2.173 Taten, 2007: 2.472).“ Gekritzelte Hakenkreuze, verbotene Lieder, unmodern gewordene Begriffe oder die „falsche“ Meinung zu bestimmten Fragen der Zeitgeschichte, das macht den Löwenanteil der „rechten Gefahr“ aus. Und die Steigerung der Deliktzahlen? Sie dürfte mit einer veränderten Zählweise zu tun haben. Seit Anfang 2008 werden nämlich auch von Unbekannten verübte Propagandadelikte grundsätzlich als „rechte Taten“ statistisch erfaßt. Heye aber redet von „Gewa1texzessen“!
Zur Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung hat der Verein übrigens selbst ein problematisches Verhältnis. So bekundet er in seinem Newsletter Nr. 24 „Achtung und Respekt“ für drei Männer, die dem späteren NPD-Landtagsabgeordneten Raimund Borrmann im Wahlkampf gewaltsam Material entrissen und es an Ort und Stelle zerstört hatten. Dabei beleidigten und bedrohten sie ihn. Gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 2.600 Euro stellte das Amtsgericht in Waren (Müritz) im September 2007 das Verfahren wegen Beleidigung, Sachbeschädigung und versuchter Nötigung ein. „Gesicht zeigen!“ spendete spontan 1.000 Euro, und Uwe-Karsten Heye versicherte: „Wir sind beeindruckt vom Mut und der Zivilcourage der drei Männer.“ In Überzahl einen körperlich Unterlegenen zu attackieren, das findet Heye also „mutig“. Dagegen betonte das Gericht, daß das Gewaltmonopol beim Staat liege. Zumindest hat der Verein hier einmal sein wahres Gesicht gezeigt.
Von KiK (was übrigens für „Kunde ist König“ steht) hatte ZUERST! gern Näheres über die Unterstützung von „Gesicht zeigen!“ erfahren, insbesondere über deren Größenordnung. Doch dem Redakteur ging es wie zuvor schon zahlreichen anderen Journalisten. Statt Fakten gab es aus dem „Bereich Kommunikation“ nur eine nichtssagende Floskel zur Antwort, dafür wünschte man noch „einen schönen Tag“. Kommunikationsverhinderung – aber bitte recht freundlich, scheint das KiK-Motto für die Öffentlichkeitsarbeit zu sein. Wenig tröstlich, daß es Spiegel, taz, Panorama und anderen auch nicht besser ergangen ist.
Heinig und Heye – da haben sich zwei gefunden, die wirklich gut zueinander passen. Das Doppelgesicht eines Systems auf dem Marsch in die totale Globalisierung. Der eine Repräsentant eines brutalen Raubtier-Kapitalismus, der maximale Profite durch zügellose Massen-Ausbeutung erzielt. Der andere Vorsteher einer Organisation, die psychologische Kriegsführung gegen das eigene Volk betreibt und sich als Gesinnungs-Wächter über ihre Mitbürger aufspielt.
Quelle: zuerst!, Bernhard Radtke